Aller Anfang ist peinlich

Seit fünf Jahren arbeite ich jetzt schon bei AD HOC. Eine gute Gelegenheit, mal zurück auf die Anfänge meiner Redakteurslaufbahn zu blicken. Oh je, das wird unschön …

Mit dem Schreiben ist das so eine Sache. Wir alle haben das Alphabet gelernt, beherrschen einigermaßen die deutsche Rechtschreibung. Daher glauben die meisten von uns, sie könnten ansprechend schreiben – schließlich benötigen wir für unseren Beruf keine jahrelange hochspezialisierte Ausbildung wie etwa Neurochirurgen, Atomwissenschaftler oder Astronauten.

Das ist natürlich Quatsch. Schreiben ist ein Handwerk – weiß ich heute. Als ich frisch von der Uni kam, dachte ich noch anders. Schließlich hatte ich mein ganzes Studium mit Schreiben zugebracht, hunderte Seiten von Papier mit brillanten (naja …) Analysen gefüllt. Wer sollte mir noch groß etwas beibringen? Mir, dem in seiner Master-Arbeit Formulierungen wie diese geglückt sind:

Die Gründe für den Zusammenbruch eines politischen Systems und den Beginn einer Transition lassen sich in systeminterne und systemexterne Ursachen unterteilen. Die internen Ursachen haben vor allem mit Legitimitätskrisen zu tun. So kann bei einem Scheitern einer ökonomischen Modernisierung, die häufig mit Privatisierungen und Liberalisierungen der Wirtschaftsordnung verbunden ist, oder einer längerfristigen ökonomischen Ineffizienz die Fähigkeit der Regierung, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung sicherzustellen, in Frage gestellt werden.

Hier geht es um den Fall von Nationen, um den Sturz von Regierungen. Das Volk stürmt die Bastille!   Der Panzerkreuzer Aurora eröffnet das Feuer! Philipp Scheidemann ruft die Republik aus! Das Volk bringt die Berliner Mauer zu Fall! Ihr habt gerade bestimmt dramatische Bilder im Kopf und der Text transportiert – nichts. Es ist zwar eigentlich ziemlicher Quatsch, sein „Frühwerk“ mit dem Wissen von mehreren Berufsjahren zu beurteilen, aber ganz ehrlich: Das ist schon mega-langweilig.

Leider wird an deutschen Unis bis heute dieser Schreibstil als Nonplusultra propagiert, was das Vorurteil vom alltagsfernen Elfenbeinturm unterstützt. Bleibt man nach dem Studium in diesem wissenschaftlichen Umfeld, ist alles super – die schreiben ja alle so. Schwierig wird es, wenn man wie ich plötzlich in einer PR-Agentur sitzt. Und meine ersten Textversuche zeigen diese Schwierigkeiten sehr anschaulich. Hier seht ihr einen Texteinstieg, den ich nach zwei Monaten oder so geschrieben habe:

Erneuerbare Energien machen heute rund 25 Prozent der Versorgung aus. Bis 2050 soll dieser Anteil laut Bundesregierung auf 80 bis 95 Prozent steigen. Um diese Mammutaufgabe zu bewältigen, gilt seit dem Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Alles richtig, alles gut, leider total langweilig. Ein Haufen Zahlen, unter denen sich kaum jemand etwas vorstellen kann, sind eine denkbar schlechte Idee, wenn man Leser begeistern will. Das sahen übrigens auch höhere Stellen so: In der Endversion befinden sich die drei Sätze immer noch im Text, aber irgendwo im fünften Absatz oder so.

Was lernen wir nun aus dieser Rückschau? Schreiben ist ein Handwerk, und man lernt immer was dazu. Aber man kann nur etwas dazulernen, wenn man auch offen für Neues ist. Daher ein Appell an Uni-Absolventen: Nehmt euch nicht zu wichtig, im Berufsleben trefft ihr auf Kollegen, die euren Job schon seit 20 Jahren machen – lernt von ihnen. Und wenn ihr mal „irgendwas mit Medien“ machen wollt, dann macht euch im Volontariat oder im Trainee-Programm an möglichst viele Textgattungen. Facebook-Post, Pressemitteilung, Interview, Fachartikel – je mehr, desto besser. Denn wie bei jedem anderen Handwerk gilt auch hier: Nur durch Machen und Kritik werdet ihr besser.

Oh, und noch ein finaler Tipp für alle Leser: Schaut euch niemals alte Arbeiten aus dem Studium oder dem Volontariat an. Ihr macht euch unglücklich!


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