Alle (zwei) Jahre wieder

In wenigen Tagen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Doch wer einkaufen geht oder den Fernseher einschaltet, wird schon seit Wochen mit König Fußball bombardiert. Das ist manchmal gut – und oft eher peinlich.

Der Fußball ist heute eine einzige große Marketing-Plattform: Früher hat die deutsche Nationalmannschaft im Westfalenstadion gespielt, heute kickt DIE MANNSCHAFT® im Signal-Iduna-Park und wird unterstützt vom Fanclub Nationalmannschaft powered by Coca-Cola. Der Fan und Fußball-Traditionalist in mir schreit auf, aber ganz ehrlich: Diese Entwicklung ist nur logisch. Keine Sportart bietet so eine gigantische Projektionsfläche wie der Fußball. 2014 waren die sieben Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten allesamt WM-Spiele der deutschen Nationalmannschaft – mit Quoten von zum Teil mehr als 85 Prozent.

Die Entwicklung ist auch alles andere als neu. Kaum jemand erinnert sich an eine längst vergangene Episode nach dem „Sommermärchen“ 2006: Damals wäre Jogi Löws erstes Spiel als Cheftrainer beinahe einem Spielerboykott zum Opfer gefallen. Einige Kicker wollten nämlich partout nicht mit den vom offiziellen DFB-Ausrüster gestellten Schuhen auflaufen, hatten sie doch längst lukrative Vermarktungsdeals mit der Konkurrenz abgeschlossen.

Da wundert es nicht, dass auch die Unternehmen auf den immer schneller fahrenden Vermarktungszug aufspringen und die WM in eigener Sache nutzen wollen. In gefühlt jedem Geschäft lächelt mich ein deutscher Nationalspieler an – ich frage mich, ob die Jungs im Trainingslager neben den Fotoshootings auch zum eigentlichen Training kommen. Und wo es für keinen Sponsorendeal gereicht hat, wird der Laden eben mit Deutschlandfähnchen tapeziert. Statt Thomas Müller und Co. schauen dann Fotomodels in Trikots auf die Kunden herab. Ob man denen, wie in einer bekannten Einzelhandelskette, zwanghaft russische Klischee-Pelzmützen aufsetzen muss, sei dahingestellt. Eventuell hätte es gereicht, sie gegen einen sibirischen Tiger kämpfen zu lassen. Woanders entwickelt man eigene Sticker-Sammelhefte mit deutschen Nationalspielern. Eine gute Idee – sobald Nicole, Hendrik und Mirko ihre Panini-Sammelalben voll- (also im Herbst 2019) und dann noch Geld übrig haben, schauen sie sich das bestimmt gerne mal an.

Ein bisschen peinlich und unnötig also. Über dieses Urteil würden sich andere Unternehmen freuen. Zum Beispiel die Lufthansa. Die hat ein Video über Erlebnisse von deutschen Fans in Russland gedreht und über Social Media verbreitet. Leider wurde das Video in Wirklichkeit in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gedreht. Tja, und weil Russland und die Ukraine sich im Moment nicht ganz grün sind, endete die lustige Idee im Shitstorm und das Video musste verschwinden.

Aber sind nun alle Marketing-Aktionen mit Bezug zur WM dazu verdammt, belächelt zu werden oder diplomatische Krisen auszulösen? Natürlich nicht. Doch es gilt die gleiche Regel, die in der PR auch abseits von sportlichen Großereignissen gilt: Kenne deine Zielgruppe und biete ihr Mehrwerte! Eine Deutschlandflagge fürs Auto ist zum Beispiel ein netter Werbegag, bleibt aber nicht im Gedächtnis – man kriegt die Dinger an jeder Ecke. Die Kfz-Direktversicherung R+V24 hat deshalb eine PM und ein Video veröffentlicht, um den Autofahrern zu erklären, was im Autokorso nach dem Finalsieg eigentlich erlaubt ist und was nicht. Klar, das ist keine Mega-Kampagne mit Millionenbudget, aber dafür ein echter Service für Fußballfans.

Auch Island hat sich eine tolle Aktion ausgedacht. Bei der EM 2016 haben sich die Nordeuropäer und ihre Fans in die Herzen der Fußballfreunde gespielt und gesungen. Und natürlich gelten sie auch bei der WM als sympathische Außenseiter – und dieses Image nutzt das Land ganz gezielt für seine Aktion #TeamIceland, bei der als Hauptgewinn eine Reise auf die Insel winkt. Sogar mit den für Kontinentaleuropäer gewöhnungsbedürftigen Namen wird gespielt: Jeder Island-Sympathisant erhält ein digitales Trikot mit seinem eigenen „islandisierten“ Namen.

Fußball-Marketing kann also funktionieren – mit einer guten Idee, Mehrwerten und einem Schuss Ironie. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, geht es uns mit den Fanartikeln doch so wie mit den Weihnachtsprodukten: Wir tun immer genervt, dass es ja viel zu früh und viel zu viel sei. Doch eigentlich wecken sie bei uns die Vorfreude auf den eigentlichen Event. In diesem Fall auf Donnerstag, 17 Uhr, wenn die Fußball-Großmächte Russland und Saudi-Arabien aufeinandertreffen. Dann geht es endlich wieder um die wirklich wichtigen Dinge!


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