Katar – kritischer Blick, aber bitte mit Fakten

In wenigen Tagen beginnt die höchst umstrittene Fußball-WM im Wüstenstaat Katar. Völlig unüblich für eines der größten globalen Sport-Events rühren die Sponsoren nur sehr dezent die Werbetrommel. Und selbst im fußballbegeisterten Deutschland hält sich die Vorfreude in Grenzen. Sicher liegt es auch daran, dass Public Viewing nicht besonders gut in die Vorweihnachtszeit passt. Als echte Euphorie-Bremse raubt vor allem die Situation im Gastgeberland den Fans den Spaß.

Reportagen über tausende Gastarbeiter, die auf WM-Baustellen gestorben sind, über unhaltbare Zustände in deren Unterkünften und über die schlechte Bezahlung sorgen zu Recht für Empörung. Unsägliche Äußerungen von WM-Botschaftern über gleichgeschlechtliche Beziehungen, dazu die weit verbreitete Diskriminierung von Frauen, machen die WM in Katar für viele endgültig zum No-Go.

Unversöhnliche Fronten

Immer mehr Kneipen-Wirte kündigen an, die WM-Spiele von ihren Bildschirmen und Video-Leinwänden zu verbannen. In den Bundesliga-Stadion fordern Fan-Clubs zum Boykott auf. Und auch die Spieler der Nationalmannschaften werden medial gedrängt, sich klar gegen das Emirat und seine Herrscher zu positionieren oder ihre Teilnahme gleich ganz abzusagen.

Auf der Gegenseite lässt sich die FIFA – allen voran ihr Boss Gianni Infantino – gern komplett von den WM-Organisatoren für deren Image-Kampagne vereinnahmen. In Deutschland spielen Uli Hoeneß und der FC Bayern gern den Libero und setzen argumentativ auf das Motto: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Das passende Sponsoring von Qatar Airways sorgt aber selbst bei der erfolgsverwöhnten Bayern-Fan-Gemeinde schon seit längerer Zeit für heftigen Protest.

Folgt man den Medienberichten, stehen sich zwei unversöhnliche Fronten gegenüber: Hier die Fußballbegeisterten, die Sport und Politik klar trennen und die WM als Fußballfest feiern wollen. Da die Kritiker, die einzig in der totalen Ablehnung der Winter-WM und des totalitären Wüsten-Emirats die Lösung sehen.

Schwarz-Weiß-Denken hilfreich?

Doch ist dieses Schwarz-Weiß-Denken wirklich hilfreich? Die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur hat sich jüngst in einer Podiumsdiskussion mit der Frage befasst: „Wie berichtet man von einem umstrittenen Sportereignis?“ Die beteiligten Journalisten waren sich laut Kicker einig: Man müsse genau hinschauen und eine „totale Verweigerungshaltung“ könne kein Journalismus sein. Ellen Wesemüller von Amnesty International fordert von den Journalisten „nichts, außer, dass sie ihr Handwerk ordentlich machen“. Ihre Forderungen zur Achtung der Menschenrechte richtet sich an die FIFA und Katar. Gleichzeitig sollten die Medien sauber arbeiten, um nicht mit falschen Daten den Veranstaltern in die Karten zu spielen, welche wiederum eine Kampagne gegen ihr Land vermuten. So kursieren immer wieder falsche Zahlen von 15.000 toten Arbeitsmigranten. Sie stammt zwar von katarischen Behörden, beziffern aber die Zahl aller zwischen 2010 und 2019 gestorbenen Personen mit nicht-katarischer Staatsangehörigkeit.

Journalistisches Handwerk

Diese Zahl wird von öffentlich-rechtlichen Sendern gern genutzt, obwohl sie nichts darüber aussagt, wie viele Migranten tatsächlich wegen der schlechten Arbeitsbedingungen starben. Das Beispiel zeigt: die Berichterstattung über dieser WM, aber auch über das Gastgeberland und seine Kultur bleibt eine große Herausforderung.

Als journalistisch arbeitende Agentur werden wir uns nicht wegducken, sondern versuchen, mit Daten und Fakten über das Land Katar, über seine Infrastruktur und auch seine wachsende Bedeutung als logistische Drehscheibe für Luft- und Seefracht, für Energie und Handel mehr Transparenz zu schaffen. Natürlich immer mit der gebotenen Distanz und dem kritischen Blick auf das, was ist.

Am Sonntag geht’s los. Und vielleicht sorgen der Erkenntnisgewinn und auch das Fußball-Event selbst doch noch für Begeisterung über die sportliche Leistung der Fußball.

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