Automobilindustrie sieht großes Wachstumspotenzial für E-Autos in Brasilien

In den vergangenen drei Jahren ist die Zahl von verkauften Elektroautos kontinuierlich gestiegen. Hersteller planen Investitionen vor allem in neue Hybrid-Modelle.

Auf den Straßen der meisten Städte in Brasilien sind immer noch wenig Elektroautos zu sehen. Das ist mir aufgefallen, als ich vor Kurzem in Brasilien war. Mein persönlicher Eindruck widerspricht jedoch den offiziellen Zahlen. Nach Angaben des Brasilianischen Verbandes für Elektrofahrzeuge (ABVE) machen E-Autos rund 3,6 Prozent der aktuell verkauften Pkw aus. In den ersten acht Monaten dieses Jahres waren demnach 49.000 von insgesamt über eine Million zugelassenen Pkw E-Autos. Das wären fast 60 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Und das treibt die Branche an, den lokalen Markt für Elektroautos zu erweitern. Die Zahl der verkauften „reinen“ und hybriden Modelle hat sich in den vergangenen drei Jahren laut dem Verband sogar verdreifacht.

In Großstädten werden die Modelle also immer präsenter, auch wenn die Zahlen auf den ersten Blick so weit von denen in europäischen Ländern entfernt scheinen – hierzulande waren schon im September 2023 fast 14 Prozent der gesamten zugelassenen Pkw Elektroautos. Allerdings entwickelt sich der Markt in Brasilien anders als in Europa: In dem südamerikanischen Staat werden vor allem E-Modelle mit Hybridantrieb hergestellt und bevorzugt.

  • Die meisten verkauften Elektroautos in Brasilien sind Hybrid-Elektrofahrzeuge (HEV). Sie kombinieren einen Verbrennungsmotor mit einer Batterie, die zum Teil während der Fahrt aufgeladen werden kann. Der Motor wird mit Bioethanol aus Zuckerrohr (das sogenannte HEV flex hat einen Marktanteil von 35,6 Prozent an E-Autos) oder Benzin (mit 17,1 Prozent Marktanteil) betrieben. Hier ist Toyota der Marktführer. Wichtig zu wissen: Brasilien ist der größte Zuckerrohrproduzent der Welt. Entlang einer Autobahn im Landesinneren des Bundesstaates São Paulo sieht man zum Beispiel überall Zuckerrohrplantagen. Damit positioniert sich das Land auf dem Markt für erneuerbare Energien.
  • Knapp dahinter liegen Plug-In-Hybride (PHEV) mit einem Marktanteil von 35,3 Prozent. Bei ihnen kann die Batterie sowohl über den Verbrennungsmotor als auch über das Stromnetz geladen werden. Favorisiert werden in Brasilien Fahrzeuge der chinesischen Hersteller BYD und GWM.
  • Batterieelektrische Fahrzeuge, auch als reine Elektroautos bekannt, haben einen sehr geringen Anteil an der Gesamtzahl der Elektroautos, genauer: 12 Prozent. Auch hier sind die chinesischen Modelle sehr beliebt.
     

Da in Brasilien jene Hybrid-Modelle in Kombination mit Bioethanol aus Zuckerrohr bevorzugt werden und diese Industrie eine große Bedeutung in Brasilien hat, prognostiziert Germany Trade&Invest, auf dem brasilianischen Markt werde im Zuge der Antriebswende die Zucker-Ethanol-Industrie dominieren und die Marktdurchdringung von reinen Elektroautos in Zukunft eher noch abbremsen. Hinzu kommt noch ein weiterer Punkt: Reine Elektroautos sind für die große Mehrheit der Bevölkerung deutlich teurer als konventionelle Modelle. Außerdem fehlt es bisher an einem ausgedehnten Netzwerk von Ladestationen. Viele potenzielle Kunden haben daher große Sorge, nicht ans Ziel zu kommen.

Dagegen bemühen sich Hersteller, wie Audi, BMW, Volvo, Volkswagen, Porsche und GWM, eine größere Infrastruktur aufzubauen. Die brasilianische Regierung hat 2018 den sogenannten Plan „Programa Rota 2030” vorgelegt, um die Produktion von Fahrzeugen mit niedrigem CO2-Ausstoß durch Steueranreize zu fördern. Dazu gehören Hybrid- und reine Elektrofahrzeuge sowie Fahrzeuge mit Bioethanolantrieb. Ziel ist es auch, diese Modelle günstiger zu machen.

Die Automobilindustrie in Brasilien spürt immer noch die Auswirkungen der Covid-Pandemie auf die Wirtschaft. Einige Hersteller haben in diesem Jahr aufgrund der Stagnation des Automobilmarktes ihre Produktion vorübergehend eingestellt oder den brasilianischen Markt verlassen. Ford (im Januar 2021) und Mercedes-Benz (im Dezember 2020) haben ihre Autofabriken geschlossen. Auch Audi hatte die Schließung im Februar 2021 angekündigt, die Produktion jedoch 2022 wieder aufgenommen. Wiederum gibt es Automobilbauer, die weitere Investitionen in Brasilien planen, auch im Bereich der Elektroautos. So hat BYD in diesem Jahr ein ehemaliges Ford-Industriegelände in Bahia im Nordosten übernommen, um dort Elektro- und Hybridfahrzeuge zu produzieren. Insgesamt sollen umgerechnet rund 570 Millionen Euro investiert werden.

Volkswagen will eine Milliarde Euro in Brasilien investieren, um in den nächsten zwei Jahren 15 neue Hybrid- und reine Elektroautos auf den dortigen Markt zu bringen. Damit will der deutsche Hersteller ein Wachstum von 40 Prozent erzielen. Laut einer Studie von McKinsey & Company sollen bis 2040 rund 55 Prozent der verkauften Pkw in Brasilien E-Autos sein. So besteht die große Chance, dass Brasilien zum Vorreiter für Elektromobilität in Südamerika aufsteigt.

 

Foto: ID. Buzz von Volkswagen ist eines der Elektroautos, die in Brasilien auf den Markt gebracht werden sollen. Copyright: Volkswagen

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