Hier ein paar Dinge, die seit dem 6.7. – dem Erscheinungstag des Spiels – geschehen sind:
- Nintendos Aktienkurs ist explodiert, selbst Konsolen-König Sony war kurzzeitig weniger wert.
- Pokémon Go hat im Hinblick auf die Nutzungszeit Facebook überholt und ist nun das erfolgreichste mobile Spiel aller Zeiten – nach drei Wochen!
- Es gibt bereits eine Dating-App für Pokémon-Go-Spieler.
- Ein Spieler hat im Kreißsaal ein Taubsi gefangen, während sein Kind geboren wurde.
- Andere sind von einer Klippe gestürzt, verirrten sich auf Truppenübungsplätzen oder in Minenfeldern.
Kurzum: Der Hype um dieses Spiel ist einmalig.
An dieser Stelle ist es Zeit für ein Geständnis. Ich liebe die Pokémon-Spiele. Ich weiß heute noch, wie ich vor über 15 Jahren meinen Gameboy entstaubt und zum ersten Mal Pokémon Blau (mit Schiggy!) gestartet habe. Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal den Endgegner besiegt habe, wie wir im Freundeskreis über Taktiken gefachsimpelt haben und auf dem Schulhof via Link-Kabel (Bluetooth war damals Science Fiction) gekämpft und getauscht haben – das Verbot von elektronischen Medien aller Art wurde von der Schule stillschweigend begraben. Sie hätte es ohnehin nicht durchsetzen können.
Deshalb war ich so begeistert, als ich von Pokémon Go hörte. Die ersten 151 Pokémon. In der echten Welt. Wie damals, nur besser! Viele haben Pokémon Go daher als Game Changer angesehen, der alles auf den Kopf stellt. Das ist es nicht – zumindest nicht als Spiel. Klar, zu Beginn war ich fasziniert: Ein Taubsi flattert durchs Büro, ein Rattfratz sitzt auf meinem Sofa und ein Glumanda lebt ironischerweise in meinem Badezimmer. Dazu noch all die Arenen und Pokéstops. Ich wollte es mögen! Doch sehr schnell setzten mir die unerbittlichen „Warum“-Fragen zu:
- Warum darf ich Pokémon fangen, aber sie außerhalb von Arenen nur mit Bonbons füttern?
- Warum darf ich keine Pokémon mit dem Kollegen Hendrik tauschen?
- Warum darf ich nicht gegen den Kollegen Hendrik kämpfen?
- Warum darf ich in keiner Weise mit anderen Spielern in Kontakt treten?
- Warum darf ich in Kämpfen – eigentlich ein Herzstück der Serie – nur hektische Wischbewegungen durchführen?
Ich schaue mittlerweile nur noch alle paar Tage mal in die App rein. Es bietet ganz objektiv betrachtet (noch) zu wenig interaktiven Content und bleibt in Sachen Komplexität sogar hinter seinem Vorgänger Ingress zurück. Auch die technische Seite ist nicht so beeindruckend, wie es auf den ersten Blick scheint: Die Server sind oft nicht erreichbar, es gibt einige Fehler und mein Smartphone-Akku beginnt schon zu schmelzen, wenn ich das Spielsymbol nur anschaue. Übrigens bin ich mit meiner Skepsis nicht allein, die Spielerzahlen sinken schon wieder. Auch der Aktienkurs von Nintendo normalisiert sich.
Trotz all dieser Ernüchterung ist es aber doch ein unglaublich wichtiges Spiel. Weil es zeigt, was möglich ist. Augmented Reality (AR) war bislang ein kaum greifbares Konzept, von dem jeder schon einmal gehört hat, mit dem aber selbst innerhalb der Tech-Gemeinde nur weniger etwas anfangen konnten. Das ändert sich jetzt.
Schon wird darüber diskutiert, wie die Industrie- oder Logistikunternehmen Augmented Reality nutzen können. Datenbrillen könnten Kommissionierer im Lager den schnellsten Weg zu einem Produkt weisen, während den Paketboten die Route zum Ziel direkt auf der Windschutzscheibe angezeigt wird – inklusive aktueller Verkehrsmeldungen. In Fabriken könnten den Technikern die einzelnen Arbeitsschritte direkt angezeigt werden, ohne dass sie in ein Handbuch oder auf ihr Tablet schauen müssten. Und auch in der PR-Branche gibt es schon erste Versuche, Augmented/Virtual Reality zu nutzen. Die Gedankenspiele kennen keine Grenzen. Nachdem nun Millionen Pokémon-Fans auf den Geschmack gekommen sind, könnte die Technologie tatsächlich vor dem Durchbruch stehen.
So gesehen wäre Pokémon Go dann doch wieder ein Game Changer – wenn schon nicht als Spiel, dann zumindest als Demonstration, was möglich ist.
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