Interkulturelle Kommunikation: eine große Herausforderung für viele Unternehmen

Bessere Kommunikation mit fremden Kulturen erfordert nicht nur Aufgeschlossenheit. Auch die Besonderheiten der verschiedenen Regionen in der Welt spielen eine wichtige Rolle.

Der deutsche Arbeitsmarkt ist in vielen Bereichen mit einem erheblichen Fachkräftemangel konfrontiert. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts fehlen in 43 Prozent der Unternehmen Arbeitskräfte. Besonders betroffen ist der Dienstleistungssektor, darunter Rechts- und Steuerberatung sowie Wirtschaftsprüfung, Unternehmen der Verkehrsbranche sowie Architektur- und Ingenieurbüros. Die Tendenz ist steigend. Um die offenen Stellen zu besetzen, bietet sich Zuwanderung als eine Lösung an.

Allerdings: Viele ausländische Arbeitskräfte, die bereits nach Deutschland eingewandert sind, berichten von Sprachbarrieren, Bürokratie, mangelnder sozialer Integration und Diskriminierung am Arbeitsplatz. In Ostwestfalen-Lippe zum Beispiel warnen Wirtschaft und Wissenschaft bereits vor den Folgen einer zunehmend feindseligen Stimmung gegenüber Migrantinnen und Migranten, wie die Neue Westfälische berichtet. Dieses negative Bild wird von einer Umfrage der InterNations bestätigt. Dennoch liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Bezug auf den Bereich Leben und Arbeiten auf einem der letzten Plätze (49 von 53).

Seit November gilt hierzulande ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Dank der neuen Regelung kann sich jede Person mit einer Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss um eine Stelle in Deutschland bewerben. Der bis dahin zur Berufstätigkeit erforderliche Abschluss wird von den Behörden nicht mehr verlangt. Potenzielle Arbeitskräfte bekommen so mehr Möglichkeiten, auch abseits ihrer Ausbildung oder ihres Studiums einen Beruf auszuüben. Auch die Anerkennungspflicht für ausländische Berufsabschlüsse entfällt. Damit will Deutschland Bürokratie abbauen und attraktiver werden.

Mit dem steigenden Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt auch die Zahl an potenziellen ausländischen Fachkräften zu. Somit gewinnt das Thema interkulturelle Kommunikation stetig an Bedeutung. Für viele Unternehmen stellt dies immer noch eine große Herausforderung dar. Sie müssen lernen, kulturelle und kommunikative Hürden abzubauen und Missverständnisse zu vermeiden. Dazu gehört die Berücksichtigung verbaler und nonverbaler Kommunikation. Ein toleranter und offener Umgang ist nicht nur unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig, sondern auch bei internationalen Verhandlungen. Bereits eine falsche Geste kann sich negativ auf die Kundenbeziehung oder den Vertragsabschluss auswirken.

 

Dimensionen der Kulturellen Kommunikation

Einen breiten Überblick über die Dimensionen interkultureller Kommunikation in Unternehmen geben Simone Kauffeld und Ramona Thomas in ihrem Buch "Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor" (Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2014). Sie listen Studien und Maßnahmen auf, die Unternehmen nutzen können, um interkulturelle Kommunikationsprobleme zu überwinden. Ein Beispiel: Sich in eine andere Person hineinversetzen und voller Verständnis und ohne Abwertung interagieren. Respekt vor dem Gegenüber führt zu einer positiven wechselseitigen Austauschbeziehung. Unternehmen können auch Schulungen für Fachkräfte anbieten. „Interkulturelle Kompetenz umfasst Wissen, Wollen und Können, mit Menschen aus anderen Kulturen erfolgreich zu kommunizieren und zu interagieren“, so die Autorinnen.

Das Buch zitiert weiterhin vier Dimensionen der interkulturellen Kommunikation von Edward T. Hall (1976): Kontextorientierung, Raumorientierung, Zeitorientierung und Informationsgeschwindigkeit. Diese Aspekte zu lernen, helfen dabei, das Verhalten unterschiedlicher Kulturen besser zu verstehen.

 

Low- und High-Context-Kulturen

Bei der Kontextorientierung lassen sich zwei Arten von Kulturen unterscheiden: Low-Context- und High-Context-Kulturen. Im ersten Fall ist die Kommunikation direkt und spezifisch unter Angabe möglichst genauer Informationen. Zu der Low-Context-Kultur gehören die USA und Nordeuropa, so auch Deutschland.

In der High-Context-Kultur hingegen wird ganz anders kommuniziert. Hier ist nicht nur die verbale Kommunikation entscheidend. Andere Aspekte wie der soziale Kontext und nonverbale Signale müssen berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Nicht alles, was gesagt wird, ist wichtig. Man braucht auch Intuition und Assoziation, um eine Botschaft zu entschlüsseln. Bei dieser Art der Kommunikation dauern Verhandlungen länger als in der Low-Context-Kultur. Auch die Art und Weise, wie Informationen kodiert und dekodiert werden, ist von Kultur zu Kultur verschieden.

Ein persönliches Beispiel – meine Erfahrung als Brasilianer in Deutschland im privaten und beruflichen Kontext. Deutsche lieben tendenziell eine kurze und direkte Kommunikation. Immer auf den Punkt. Brasilianer hingegen haben immer etwas zu erzählen. Wir reden ausführlich und behandeln auch sekundäre Themen im Gespräch. Das führt dazu, dass ich mit meiner brasilianischen Erzählweise oft ungeduldig angeschaut werde. Dies verlangt von mir sowie auch von meiner Gegenseite Verständnis und Akzeptanz. Ein interessanter Fakt kommt noch hierzu: Genau deshalb ist Brasilien das Land, in dem die meisten Sprachnachrichten weltweit über WhatsApp verschickt werden, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Auch die Körperdistanz ist ein Faktor, der bei der interkuturellen Kommunikation zu beachten ist, wie Kauffeld und Thomas erläutern. In den nordeuropäischen Ländern wird tendenziell ein großer Abstand zum Gegenüber bevorzugt. Hier in Deutschland kann beispielweise viel Nähe als unangehmen und aufdringlich gedeutet werden, während zu viel Distanz in Südeuropa oder Lateinamerika möglicherweise mangelndes Vertrauen hervorrufen. Je nach Kultur wird körperliche Distanz also unterschiedlich bewertet. Das kann zu Missverständnissen führen. Auch der Aspekt Zeitorientierung unterscheidet sich in Bezug auf Termine, detaillierte Planungen und zwischenmenschliche Beziehungen.

 

Weitere Hinweise zum Thema

Der Podcast “Andere Länder, andere Sitten - Interkulturelle Kompetenz im Auslandsgeschäft” gibt interessante Hinweise, worauf man je nach Gesprächspartner achten sollte. Zum Beispiel darauf, dass in Kolumbien der persönliche Kontakt zwischen den Gesprächspartnern sehr wichtig ist und auch Fragen zur Familie als normal und nicht als etwas Privates angesehen werden. Insgesamt gibt es vier Folgen, die nach Weltregionen gegliedert sind: Lateinamerika, Subsahara Afrika, Nordafrika und Naher Osten sowie Südostasien. Die Sendungen entstanden in Zusammenarbeit mit der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der IHK Halle-Dessau.

Fakt ist: Interkulturelle Kompetenz wird immer stärker nachgefragt. Viele Unternehmen investieren auch in Trainings, um ein besseres und angenehmeres Arbeitsumfeld zu schaffen. Denn beide Seiten – Arbeitgebende und Arbeitnehmende – müssen lernen, besser miteinander zu kommunizieren. Für Unternehmen reicht es jedoch nicht aus, sich über die Besonderheiten verschiedener Kulturen der Welt zu informieren. Die erworbenen Kompetenzen müssen in der Praxis auch angewendet und gelebt werden.

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