Theater-Tipp und mehr: „Ein Volksfeind“ – Schauspiel nach Henrik Ibsen, Deutsches Nationaltheater Weimar (DNT)

Alte Kamellen, könnte man meinen. Wen sollte ein Gesellschaftsdrama aus dem Jahr 1882 vom Flatscreen weglocken? Dann mal los ...

1882 erschien „Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen. Der norwegische Schriftsteller war selbst als „Feind des Volkes“ beschimpft worden, nachdem er in seinem Stück „Gespenster“ mehrere Tabus thematisiert hatte, wie zum Beispiel Inzest und Sterbehilfe.

„Ein Volksfeind“ handelt von den „Tücken" der Demokratie; von Machtspielen, Gewinnstreben und dem Verlust der Fähigkeit, einander zuzuhören und Kompromisse zu finden. In Weimar katapultiert Regisseur Hermann Schmidt-Rahmen Ibsens Stoff ins Heute und stellt die Handlung zugleich „auf den Kopf“. Nicht bierernst, sondern oft urkomisch entfaltet sich auf der Bühne des Deutschen Nationaltheaters (DNT) ein Polit- und Ökodrama um ein aufstrebendes Tourismusziel, rund um eine Grube, in die vor Jahrzehnten Industrieabfälle gekippt wurden.

Es knallt gewaltig zwischen der Bürgermeisterin des Ortes und ihrem stets zu kurz gekommenen Bruder, einem Badearzt. Er will einen Skandal aufdecken und bringt damit die vermeintlich heile Welt ins Wanken. Immer mehr Akteure kommen ins Spiel und kochen ihr eigenes Süppchen, auch in den Sozialen Medien. So lange, bis keine vernünftige Auseinandersetzung mehr zustande kommt, Fakten unwichtig werden und sich ein Fackelzug in Bewegung setzt.

Auf Worte folgen Taten. Von „Feinden des Volkes“ ist auch heute schnell die Rede, immer öfter mit konkreten, bestürzenden Folgen. Da werden Galgen für die „Ampel“ an der Straße postiert. Und in Schlüttsiel wird Vizekanzler Habeck von einem Mob am Verlassen der Fähre gehindert. Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs und Nötigung sind raus.

Das Schweigen führender demokratischer Politiker zu solchen Ereignissen dröhnt mir in den Ohren. Jeden und jede von uns geht es an, was gerade in und mit dieser Gesellschaft passiert, wie demokratische Parteien(-Vertreter) miteinander umgehen und welche (Protest)-Aktionen mit welchen Interessen gesteuert werden.

Auch deshalb ist die Inszenierung am Deutschen Nationaltheater für mich die vielleicht wichtigste Aufführung in 2023/24.

Nähere Infos gibt es hier: https://lnkd.in/eDStZ-DF

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